Offener Brief zum Thema rechte Gewalt und struktureller Rassismus

Sehr geehrtes Rektorat der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,

wiederholt kommt es in Magdeburg zu rassistischen Gewalttaten und Diskriminierungen, auch gegenüber Studierenden der OVGU. So auch wieder geschehen zu Beginn dieses Semesters: Ein Studierender im 1.Semester, der sich im Referat für Klimagerechtigkeit engagieren wollte, wurde auf dem Nachhauseweg von einer Veranstaltung des Referats von drei Nazis beleidigt und angegriffen. Er hat sich verständlicherweise daraufhin exmatrikuliert und Magdeburg verlassen. Leider ist dieser Vorfall kein isolierter Einzelfall. Es gibt sehr viele Berichte von Studierenden of Color (Person/ People of Color ist eine häufig gewählte Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismus-Erfahrungen), die in ihrem Alltag in Magdeburg Erfahrungen mit rassistischer Gewalt und strukturellem Rassismus, auch an der Universität, machen.

Die OVGU verschreibt sich in ihrem Leitbild den Werten Offenheit und Toleranz und versteht sich als Ort der Begegnung und des Austausches. Auch legt die Universität viel Wert auf Internationalisierung von Forschung und Lehre, was sich in den engen Kooperationen mit anderen Universitäten und einem hohen Anteil an internationalen Studierenden und Mitarbeitenden zeigt. Dies ist eine sehr löbliche Ausrichtung, dennoch reicht es nicht, sich zu solchen Werten nur zu bekennen. Als Universität ist die OVGU ein wichtiger Teil der Gesellschaft, übernimmt eine Vorbildfunktion und ist, wie Sie selbst im Leitbild schreiben, dazu verpflichtet, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Rechtsextreme Strukturen sind in Magdeburg sehr präsent, die gesamte deutsche Gesellschaft ist massiv von rassistischen Strukturen, Sozialisierung und Stereotypen geprägt, die auf die Zeit des Kolonialismus zurückgehen. Als Teil der deutschen Gesellschaft ist selbstverständlich auch die Institution Universität nicht frei von diesen Strukturen. Dennoch positioniert sich die OVGU bis jetzt kaum zu diesem Thema.

Wir fordern daher von der Universitätsleitung, sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen, rassistische Gewalt und strukturellen Rassismus als Problem anzuerkennen, sowie die antirassistische Arbeit an der Uni massiv auszubauen.

Um die Dringlichkeit und Relevanz antirassistischer Arbeit an der Universität zu illustrieren, möchten wir hier einige Beispiele aufzeigen, wie sich struktureller Rassismus auch an Universitäten manifestiert:

• Die Besetzung wissenschaftlicher Stellen spiegelt nicht die Diversität der Gesellschaft wieder, People of Color sind unterdurchschnittlich in diesen Positionen vertreten. Wichtige Perspektiven fehlen somit an Universitäten, wodurch Themen oft aus einer rein „weißen“ Perspektive verhandelt werden und Schwarze oder migrantische Positionen fehlen.

• Viele Wissenschaften sind in kolonialrassistische Strukturen verstrickt, die nur langsam oder gar nicht aufgearbeitet werden. Eine Anerkennung dieser Strukturen und eine Thematisierung in der Lehre fehlen häufig.

• Oftmals werden Themen in Forschung und Lehre aus einer eurozentristischen Perspektive betrachtet, andere Blickwinkel und Erkenntnisse werden dadurch unsichtbar gemacht.

• Studierende of Color erleben an der Universität Grenzüberschreitungen, rassistische Diskriminierung und Zuschreibungen.

• Das Thema Rassismus an deutschen Hochschulen ist trotz seiner großen Relevanz in der Forschung unterrepräsentiert, Studien hierzu gibt es kaum.

Um diesen Problemen und Herausforderungen zu begegnen, fordern wir von der Universitätsleitung:

• Die Schaffung eines Beratungsangebots bei rassistischer Diskriminierung sowie die offensive Bewerbung dieses Angebots, sodass Betroffene es auch in Anspruch nehmen können.

• Die Einrichtung einer (anonymen) Beschwerde- und Anlaufstelle bei Rassismuserfahrungen.

• Die Benennung einer*eines Anti-Rassismus-Beauftragte*n.

• Fortbildungsangebote für existierende Beratungsstellen im Umgang mit Rassismuserfahrungen.

• Die Sensibilisierung der Mitarbeitenden und Studierenden in Bezug auf strukturellen Rassismus, z.B. durch Fortbildungsangebote, Ringvorlesungen etc.

• Eine Auseinandersetzung in den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen mit den kolonialrassistischen Kontinuitäten in ihren Fachgebieten sowie eine Einbindung dessen in die Lehre.

• Die Schaffung institutionalisierter Räume, in denen eine Auseinandersetzung mit Rassismus stattfinden kann.

• Ein öffentliches Bekenntnis der OVGU zur Verurteilung rassistischer Gewalt sowie der Anerkennung von strukturellem Rassismus als Problem auch an Universitäten. Dazu gehört auch (Anti-)Rassismus als solchen zu benennen, anstatt von Chancengleichtheit, Diversität, Weltoffenheit etc. zu sprechen

Gerne sind wir bereit, zu den genannten Punkten mit Ihnen persönlich ins Gespräch zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen,
Bündnis Studierender gegen Rechts
Referat für Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Mit zeichnende Personen und Institutionen